Pflichtimpfung und Arbeitsrecht
Ihr Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Magdeburg

 

Ab dem 16.03.2022 gelten die verschärften Regelungen des Infektionsschutzgesetzes. § 20a IfSG regelt nunmehr die Verpflichtung von Arbeitegeber*innen in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen nur solches Personal zu beschäftigen, welches sich der Corona-Pflichtimpfung unterzogen haben. Gefühlt täglich ändern sich die rechtlichen Bewertungen dieses Themas, so dass eine Beratung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht empfehlenswert ist.

Pflichtimpfung

Wo gilt die Impfpflicht?

Insbesondere sind davon die folgenden Einrichtungen betroffen:

  1. Krankenhäuser
  2. Einrichtungen für ambulantes Operieren
  3. Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen
  4. Dialyseeinrichtungen
  5. Tageskliniken
  6. Entbindungseinrichtungen
  7. Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Buchstaben 1 bis 5 genannten Einrichtungen vergleichbar sind
  8. Arztpraxen, Zahnarztpraxen
  9. Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe
  10. Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden
  11. Rettungsdienste
  12. sozialpädiatrische Zentren nach § 119 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
  13. medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
  14. Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und Dienste der beruflichen Rehabilitation
  15. Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder des Elften Buches Sozialgesetzbuch tätig werden
  16. Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind
  17. Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nummer 2 genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; zu diesen Unternehmen gehören insbesondere:

a) ambulante Pflegeeinrichtungen gemäß § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie Einzelpersonen gemäß § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch,

b) ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,

c) Unternehmen, die Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,

d) Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 46 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung oder heilpädagogische Leistungen nach § 79 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,

e) Beförderungsdienste, die für Einrichtungen nach Nummer 2 dort behandelte, betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen befördern oder die Leistungen nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen, und

f) Leistungsberechtigte, die im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Personen für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen beschäftigen.

Ausgenommen hiervon sind nur solche Personen, die nachweislich medizinisch indiziert, nicht impffähig sind.

Was ist bei der Pflichtimpfung zu beachten?

Die Vorschrift wendet sich streng genommen gegen die Arbeitgeber*innen und Selbstständige. Sie wendet sich nur mittelbar gegen Arbeitnehmemer*innen. Konkret bedeutet dies, dass niemand direkt gezwungen wird, sich zu impfen. Jedoch dürfen Arbeitgeber*innen keine umgeimpften Arbeitnehmer*innen mehr beschäftigen, wenn diese in den o.g. Bereichen tätig sind. Auch ungeimpfte Selbstständige dürfen dann nicht mehr in diesen Einrichtungen tätig sein. Dies betrifft nicht nur das klassische Pflegepersonal, sondern auch Mitarbeiter*innen der Verwaltung, Logistik, Kantine, usw.. Entscheidend ist, dass die Personen innerhalb dieser Einrichtungen tätig sein müssen.

Arbeitgeber*innen sind zudem verpflichtet, den jeweiligen Impfstatus der Mitarbeiter*innen zu erfragen und zu dokumentieren. Hierzu sind alle Mitarbeitenden verpflichtet, über den Impfstatus Auskunft und jeweilige Nachweise zu erbringen. Konkret ist nachzuweisen, ob man geimpft, genesen oder ärztlich attestiert nicht impffähig ist.

Folgen für ungeimpfte Mitarbeiter*innen

Die Nichtvorlage(-möglichkeit) einer nachgewiesenen Pflichtimpfung gilt nach herrschender juristischer Meinung als ein Fehlen einer zwingenden Berufsausübungsvoraussetzung. Dies wiederum verbietet die weitere Beschäftigung und entbindet Arbeitgeber*innen damit von ihrer Pflicht auf Zahlung der Vergütung (§ 326 BGB). Praktisch umsetzen können Arbeitgeber*innen dies durch:

Signalisieren ungeimpfte Mitarbeiter*innen eine zukünftige Impfbereitschaft, kann sicher (bis zur tatsächlichen Impfung) eine unbezahlte Freistellung erfolgen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein solcher Zustand von Dauer sein wird. Arbeitgeber*innen werden wegen einer fehlenden Planungssicherheit bei der Verfügbarkeit des Personals dies sicher nicht unbegrenzt fortsetzen. Zudem kann, bei weiterer fehlender Impfung, zukünftig keine erneute Tätigkeit gefunden werden, zumindest für medizinisches und pflegerisches Personal.

Sofern also keine zeitnahe Impfbereitschaft besteht, kann über kurz oder lang nur eine Kündigung durch die Arbeitnehmer*innen oder eine personenbedingte Kündigung durch Arbeitgeber*innen folgen. Faktisch wird dies jedoch für ungeimpfte Mitarbeiter*innen mit medizinischer Ausbildung und Tätigkeit einer Aufgabe ihres Berufes (zumindest in Deutschland) gleichkommen.

Zudem wird auch diskutiert, ob die fehlende Impfung nach Aufforderung durch Arbeitgeber*innen ein vorsätzlicher Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenleistungspflichten darstellt. Die Folge wäre dann, dass Arbeitgeber*innen dieses Fehlen abmahnen und letztlich auch verhaltensbedingt kündigen könnten.

Weitere Folgen – Update

Ungeklärt ist derzeit noch, inwieweit die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit sich auf Leistungen aus Arbeitslosengeld oder Hartz IV auswirkt. Sofern man von einer verhaltensbedingten Kündigung ausgeht, stünde zumindest eine zeitlich begrenzte Sperre wegen selbst verschuldeter Arbeitslosigkeit bei der Agentur für Arbeit im Raum.

Auch bei einer personenbedingten Kündigung besteht diese Gefahr.

Update 02.02.2022:

Zwischenzeitlich haben sich die Agenturen für Arbeit wohl dahingehend geäußert, dass Arbeitslosengeld gezahlt wird, wenn sich die Mitarbeiter*innen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Dies geht in den meisten Fällen aber wohl nur dann, wenn diese einen anderen Beruf wählen (etwa, wenn der Krankenpfleger zukünftig Paketzusteller wird). Für einige Berufsgruppen wird es zudem andere Stellen geben können- etwa der Klinikarzt, der dann Betriebsarzt wird. Dies wird jedoch die wenigsten Betroffenen betreffen.

Insgesamt werden sich die Arbeits- und Sozialgerichte zukünftig mit den vielen noch offenen Fragen beschäftigen müssen.

Es ist zumindest einmal fraglich, ob tatsächlich die konkrete Verpflichtung zur Impfung nicht durch eine mildere Maßnahme (etwa weiterhin Testungen, vielleicht auf Kosten der Ungeimpften) ersetzt werden könnte/müsste. Dies wiederum würde die Interessenabwägung zwischen den betroffenen Grundrechten (Schutz des Lebens und der Gesundheit vs. freie Berufsausübung) durchaus nochmal verschieben können.

Update 02.02.2022

Die derzeitige politische Diskussion um die vermeintlich schwächere Omikron-Variante des Virus verstärkt die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht. Inwieweit dies Auswirkungen auf die bestehende Einrichtungsbezogene Impfpflicht haben wird, ist ungewiss. Zudem mehren sich die Stimmen, die eine Durchsetzung der Impfpflicht kritisch sehen. Es ist mithin fraglich, ob es hier nicht rechtliche Veränderungen geben wird.

Auch ist die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmer*innen und Besuchern (diese können ungeimpft und ungenesen, aber getestet jederzeit die o.g. Einrichtungen betreten) unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes zumindest einmal kritisch zu hinterfragen.

Zudem stellt sich die Frage, ob die Folgen (ALG I und ALG II) nicht insgesamt eine unangemessene Härte für nicht geimpfte Personen darstellen. Dies wird jedoch erst in den nächsten Monaten/ Jahren durch höchstrichterliche Rechtsprechung klarer werden.

Als Anwalt für Arbeitsrecht in Magdeburg unterstütze ich Sie gern bei Fragen rund um das Thema Pflichtimpfung im Arbeitsrecht.

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betriebsbedingte Kündigung